Bürgermeisters Geburtstag
Im kleinen Dorf wird
der Bürgermeister sechzig Jahre. Er lud ein und alle kamen: Die
Vereinsvorstände der Kleintierzüchter, des Gesangvereins, der
Schützenbrüderschaft, des Karnevalsvereins und vieler anderer
Vereine. Auch die politische Gemeinde war vertreten: Gemeinderäte,
die Ortsvereinsvorsitzenden der beiden großen Parteien, einige
Kreisräte und sogar der Landtagsabgeordnete der Partei, der auch der
Bürgermeister angehört.
Der Bürgermeister
nebst Gattin, in festlichem Gewand, begrüßen die Gäste.
Zum Glück hatten die
Herren ihre Damen mitgebracht, sonst hätte die Frau des
Bürgermeisters stellvertretend für die größere Hälfte der
Bevölkerung repräsentieren müssen!
Ja, in unserem Dorf ist
noch fast alles in männlicher Hand.
Im zugigen
Feuerwehrhaus war das Buffet gedeckt. Der örtliche Alleinunterhalter
versuchte sich mit Hintergrundmusik unter der Dekoration
buntgeschmückter Tarnnetze.
Aber zunächst galt es
die fälligen Reden mit immer gleichen Lobeshymnen anzuhören. Die
Redner waren mal mehr, mal weniger begabt. Die Länge der Reden hielt
sich, vielleicht auch Angesichts der gedeckten Tische, in Grenzen.
Launige Sprüche gab es zuhauf, auch die eine oder andere Anekdote.
Der Beifall war verhalten, vielleicht hatten die Gäste Angst, zu
viel Applaus würde die Reden verlängern.
Endlich stand der
Gastgeber auf und lud ein, sich an den Speisen und Getränken zu
laben. Lange Reihen bildeten sich, die Teller wurden mit
Köstlichkeiten überladen. Durch geschicktes Jonglieren kamen die
Menschen trotzdem unbeschadet zu ihren Plätzen. Bevor die letzten
sich aufladen konnten, hatten die ersten, erprobt in der heimischen
Buffetlandschaft, schon den zweiten Rundgang begonnen. Sie zog es
gezielt zu den raren Köstlichkeiten, Kartoffelsalat und Frikadellen
ließen sie links liegen. Spargelröllchen mit Schinken waren bald
aus, auch der gebeizte Lachs fand reichlich Zuspruch.
Der Geräuschpegel
erreichte ungeahnte Höhen, weil die Gäste die Musik übertönen
mussten, wollten sie mit ihren Tischnachbarn reden.
Fleißige Frauen
brachten das benutzte Geschirr in die Küche, schenkten das eine oder
andere Bier aus. Die Damen tranken eher Wein oder Saft.
Nach dem Essen
verkündete der Bürgermeister, dass nun noch der Chor ein Ständchen
bringen wolle. In der Stille, bevor der Dirigent den Einsatz
anzeigte, hörte man ein lautes Rülpsen. Es wurde leise gelacht.
Dann sangen die Männer vom Weinparadies, von fernen, schönen
Mädchen und ließen Schuberts Forelle springen.
Mit einem Tusch begann
der Alleinunterhalter seinen großen Auftritt: Er hatte nun das
Kommando, spielte die Musik zum Tanz.
Nachdem das
Bürgermeisterpaar den Schneewalzer begonnen hatte, kamen auch
andere Paare dazu. Es wurde zu den Liedern über Rosamunde und
Schützenliesel, aber auch zu alten Schlagern mit ziemlich
krächzendem Gesang getanzt.
Hier auf der Tanzfläche
herrschte Männermangel! Aber die Frauen tanzten fröhlich lachend
miteinander. Dann gab es Damenwahl, und fast die Hälfte der Frauen
stürzte zum Geburtstagskind. Die Frau des Arztes war am schnellsten,
zum Dank massierte ihr der Bürgermeister den Rücken während des
Tanzes, manchmal auch etwas tiefer.
Kurz vor zweiundzwanzig
Uhr wurden einige Männer unruhig, verschwanden nach draußen. Es gab
einen lauten Knall, und ein Feuerwerk auf der Wiese hinter dem
Feuerwehrhaus erhellte die Nacht. Einige Gäste schwankten
bedenklich, aber noch konnten alle allein stehen. Die Gesellschaft
verlagerte sich nach draußen und an die Fenster.
Glänzende Augen,
weinselige Blicke, selbstzufriedenes Grinsen der „Macher“,
erstaunte Rufe. Das Feuerwerk war kurz, aber sehr schön!
Einige der Gäste
nutzten den Moment, um ohne große Verabschiedung nach Hause zu
gehen.
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