Samstag, 9. November 2024

entfesselte Geldanlagen

  

Geld oder Würde

(von Manuela Pfann, Wendlingen, Katholische Kirche, SWR 1, 02.11.24)

"Diese Fürbitte hatte einen Grund. Weil wir in den Wochen vor dem Tod des Onkels folgendes erlebt hatten: Nach einem Sturz zuhause wurde er in die Klinik gebracht. Gebrochen hatte er sich Gott sei Dank nichts, aber es wurde schnell klar: Da gibt es einige Probleme bei dem fast 85-jährigen, er kann nicht mehr alleine zuhause leben. Nach ein paar Wochen hatte er sich ganz ordentlich erholt, Ärzte und das Pflegepersonal haben ihn wirklich gut versorgt; er sollte demnächst in ein Pflegeheim entlassen werden. Und dann kam an einem Morgen plötzlich ein Anruf. Von einer anderen Klinik. Dorthin wurde er verlegt, völlig überraschend, niemand hatte uns informiert.

Von einem Arzt wurden wir am Telefon gebeten, einer Herz-Operation zuzustimmen, es sei dringend. Wir wussten zwar, dass der Onkel mit dem Herz ein Problem hatte, aber über eine Operation wurde nie gesprochen, das war überhaupt nicht geplant. Mein Bruder war am Telefon, er hatte die Gesundheitsvollmacht für den Onkel, und sagte dann zu dem Arzt: „Wir müssen Ihnen vertrauen. Wenn Sie sagen, die Operation ist jetzt notwendig, dann operieren Sie.“

Unser Onkel ist nach der Operation nicht mehr aufgewacht und eine Woche später verstorben. Weil er sein Leben lang im Staatsdienst gearbeitet hat, war er privatversichert. Die Rechnung für diese Herz-OP ist deshalb auf unserem Tisch gelandet: 35.000 Euro. Nur die OP.

Natürlich kann ich nichts beweisen; aber alle Fakten, Gespräche und Informationen deuten für mich darauf hin: Bei dieser OP stand nicht der Patient im Mittelpunkt. Mit Kranken kann man heute einfach gute Geschäfte machen! Das ist leider vielfach Tatsache. Unser Onkel wurde in eine jener Kliniken verlegt, die einem großen Konzern gehören. Sie wird also privatwirtschaftlich betrieben und schüttet jedes Jahr Gewinne an ihre Aktionäre aus. Mehr als jede dritte Klinik in Deutschland gehört so einem Investor."  Auszug aus: das Wort zum Tag,s.o.

dieses wort zum tag bewegt mich. ist es nicht so, dass auch altenheime privatwirtschaftlich betrieben werden, als gewinnbringene geldanlage angepriesen werden? was passiert mit diesen "geschäftsmodellen" in unserer gesellschaft?  

wo bleiben gemeinsinn und ethische geldanlage? ein fürsorglicher umgang mit den schwächsten in unserer gesellschaft muss dringend wieder hergestellt werden, sollte nicht die angst bei allen menschen gefördert werden. niemand möchte objekt zur gewinnmaximierung sein.

eben las ich, das vermögen der 100 reichsten menschen ist in diesen tagen um 64 milliarden dollar gestiegen.

 

9 Kommentare:

  1. Dieser Beitrag rührt mich sehr, und leider scheint er nur allzu oft der Realität zu entsprechen. Es ist erschütternd, dass Menschen am Ende ihres Lebens zu einem bloßen 'Kostenfaktor' oder sogar zur 'Umsatzsteigerung' für Kliniken und Pflegeheime degradiert werden. Wenn die Profitmaximierung über dem Wohl der Patienten steht, läuft in unserem Gesundheitssystem etwas grundlegend falsch.

    Dass Altenheime und Kliniken vermehrt von Investoren geführt werden, die an ihre Aktionäre Ausschüttungen vornehmen, wirft die dringende Frage auf: Wo bleibt der Gemeinsinn? Wo bleibt die Ethik? Gerade die Schwächsten in unserer Gesellschaft, die auf Fürsorge angewiesen sind, sollten nicht zur Ware degradiert werden.

    Wir brauchen dringend eine Debatte darüber, was uns als Gesellschaft wirklich wichtig ist. Geldanlagen und Investitionen sollten sich wieder an ethischen Werten orientieren – an Menschlichkeit und Fürsorge, statt an reinem Profitdenken. Solange wir zulassen, dass Gesundheit zur Geschäftemacherei verkommt, fördern wir unweigerlich die Angst und das Misstrauen der Menschen. Doch genau das Gegenteil sollte unser Ziel sein: ein System, in dem jeder Mensch sicher sein kann, dass sein Wohl an erster Stelle steht.

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    1. danke für deine worte, arbeiten wir daran, dass ein am menschen und natur orientiertes wertesystem die grundfeste unserer wirtschaft wird. lieben gruß, roswitha

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  2. Bin sprachlos und es macht mich traurig,
    dass die Wirtschaftlichkeit = das Geld 😔
    hier im Vordergrund gestanden hat 🤑
    und der Mensch, das Leben des einzelnen hier herhalten musste,
    und es ihm das Leben gekostet hat 😓

    Es ist nun mal so, bist DU erst einmal im Kliniksystem... gibt es kaum ein Entrinnen ... gerade, als alter Mensch 🤦🏻‍♀️

    Herzlichste WE - Herbstgrüße 🍂🥀🍁
    und bleibt alle gesund von Annette 🙋🏻‍♀️

    PS
    Für jede Ärztin und jeden Arzt gilt folgendes Gelöbnis:
    „Als Mitglied der ärztlichen Profession gelobe ich feierlich, mein Leben in den Dienst der Menschlichkeit zu stellen. Die Gesundheit und das Wohlergehen meiner Patientin oder meines Patienten werden mein oberstes Anliegen sein." ... tja 🙏🏻

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    1. liebe annette, danke für deinen kommentar, bleiben wir wach und offen, aber vorsichtig. herzlichen gruß von roswitha

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  3. Das ist einfach nur unverständlich und stossend.
    Mit einem tiefen Seufzer,
    Brigitte

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  4. liebe brigitte, es zeigt mir einmal mehr, dass wir menschen brauchen, mit denen wir letzte wünsche bereden und festlegen. herzlichen gruß, roswitha

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  5. Neulich im Bekanntenkreis ein ähnliches Erlebnis: Eine Bekannte, privat versichert, geht mit der Diagnose Depression in eine Privatklinik. Hübsches Haus, schön gelegen, teurer Kaffee-Vollautomat im Aufenthaltsraum. Die Therapie? Bestenfalls mittelmäßig, wenig Verständnis für die Patienten, permanenter Wechsel der Bezugspersonen...
    Nach etlichen Wochen kommt die Patientin zurück. Nichts ist besser geworden, eher noch schlechter, eine Hoffnung weniger. Was bleibt, ist eine horrende Rechnung, ebenfalls in fünfstelliger Höhe.
    Dass Kliniken privatwirtschaftlich geführt werden (und also Profit abwerfen) sollen, ist ein großer Irrweg.

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    1. es ist ein irrweg, wenn grundversorgung der menschen dem wirtschaftlichen denken unterworfen wird. niemand möchte das für sich erleben. eine möglichkeit, die kassen für die versorgung zu füllen, ist nach meiner meinung eine sozialversicherungspflicht für ALLE, auch freiberufler, beamte, und selbstständige/ politisch tätige, zahlen einen grundbetrag ein. darüber hinaus steht jedem eine private versicherung frei. noch richtiger wäre, das ganze system zu ändern und auch kapitalertrag etc. anders zu bewerten.

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  6. das war mein kommentar, lieben gruß, roswitha

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