Donnerstag, 27. April 2023

Berlin: Nachttaxi vor 60 Jahren


 Teil 2 von Paul A. Ws Memoiren:

Amerikanische Soldaten waren bei Taxifahrern nicht sehr beliebt: sie gaben wenig Trinkgeld, sprachen schwerverständliches Englisch und fuhren meist nur Taxi, wenn sie nach einer Kneipentour dringend zur Kaserne mussten.
Die Hauptstrasse in Schöneberg war besonders verrufen, dort waren viele Nachtbars und die Soldaten wurden von hübschen Mädchen beim Feiern um ihre Dollars erleichtert. Viele Taxen schalteten dort nachts das Taxischild aus und fuhren an den winkenden GIs vorbei.
Einmal gegen Mitternacht stand ein kleiner dunkelhäutiger GI winkend am Straßenrand. Da auf meinem Weg nach Hause zwei Kasernen lagen dachte ich, was kann schon passieren, und hielt an. Er riss beide Türen der Taxe auf und aus einem Hausflur stürmten fünf seiner Kameraden. Alle warfen sich in die Taxe, auf der Hinterbank saßen zwei auf dem Schoß der Kollegen. Der Anhalter saß auf dem Beifahrersitz. Sie wollten zur Andrew-Kaserne in der Finkensteinallee. Ich hatte inzwischen meine Tränengas- Sprühdose in die linke Hand genommen. Bei der nächsten roten Ampel schrie einer:
"mack schneller!" Ich machte eine Vollbremsung, drehte mich um und sagte: "Hier drive ick!"
Peinliches Schweigen, dann kam eine Stimme aus dem Menschenhaufen hier mir: " Oh, he speaks englisch."
Es wurde grün und ich fuhr weiter, nur noch wenige Minuten bis Mitternacht. Zur Kaserne noch mindestens 10 -15 Minuten, um 24 Uhr war Zapfenstreich(so hieß der militärische Feierabend). Das Kasernengelände war ziemlich groß und auf den anderen Straßenseite war nur ein Park, keine Häuser, es war dunkel und menschenleer.
Vielleicht 100 Meter vor dem Tor mit den davorstehenden MP- Posten sagte einer der Soldaten:" Stop it!" Da wusste ich, es wird mulmig. Ich gab Vollgas und fuhr zum Kasernentor. Die Militärpolizei öffnete die Autotüren, die Soldaten mussten aussteigen und sich aufstellen. Wie von mir befürchtet, hatte niemand mehr Geld. Einer wurde aufgefordert, Geld zu besorgen und ich wurde bezahlt.
Nach einem Dank an die Militärpolizei fuhr ich weiter, Trinkgeld bekam ich keins.  

8 Kommentare:

  1. Da hat einer sichtlich Lebens- und Taxifahr-Erfahrungen. Er verhält sich schlau!
    Gruß von Sonja

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    1. gewitzte berliner pflanze, im tausendjährigen reich trainiert, kein wunder- ganz und gar künstler und lebenskünstler von anfang an. herzlichen gruß, roswitha

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  2. Spannend erzählt und gut reagiert.
    Ach, die Taxifahrer müssen viel Gespür entwickeln für sonderbare oder gar bedrohliche Gäste. Kein einfacher Job!
    Lieben Freitagsgruss,
    Brigitte

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    1. ja, es hilft sehr, lebenserfahrung zu haben bei dieser arbeit. herzlichen gruß, roswitha

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  3. Hallo Roswitha, diese mit dem Brandenburger Tor beklebten Fensterscheiben sollen ja vor ritzendem Vandalismus schützen - dennoch finde ich sie zum Rausgucken störend.
    In der Finkensteinallee war auch ein Hallenbad. - Als ich in der Giesensdorfer Straße wohnte, war das 10 Minuten Fußweg entfernt - und mein Betreuungskind hatte dort Schwimmunterricht, so dass ich häufig dort war. - Das dort ist ja eine schöne Wohngegend, und die Kasernen sind wohl weg, seitdem es keine Amerikaner als Soldaten hier gibt.
    Liebe Grüße an dich von Clara

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    1. liebe clara, schön dass ich mich mit paule(einem echten berliner!) auf deinen alten wegen bewege. und nach so vielen jahren bist du ja auch eine echte berlinerin. hab einen guten 1.mai dort in berlin, herzlichen gruß, roswitha

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  4. Les gerne solche Geschichten aus dem alten Westberlin. Sehr anschaulich geschrieben.

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    1. paul ist berliner geschichte, in ost- und westberlin, geboren 1934 in der wrangelstrasse! lieben gruß, roswitha

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