Montag, 15. Januar 2024

Auszüge aus einem Brief an einen Freund

                                                                       Fassadendetail 

Aus einem Brief an einen Freund:

... Mir ist etwas eingefallen (passiert häufiger):

Ich ertappte mich bei dem Gedanken, zuerst muss ich etwas erledigen, dann einkaufen, später die Büroarbeiten erledigen. Und wenn alles in Ordnung ist, dann werde ich eine Stunde im Park spazieren gehen. So irrlichtern wir durch das Leben, das so nie richtig losgeht, es kann ja auch gar nicht, es ist nämlich immer schon mittendrin, wir leben ja schon! Dieses Mittendrin ist der eigentliche, uns zur Verfügung stehende Zustand. Die abgedroschenen Reden von „carpe diem“ oder ähnlichem, das ist es, Änderungen können nur sofort eingeleitet werden, oder sie kommen nie.

Den Albtraum mit dem Kampf um den inneren Schweinehund, der knurrt, wenn ich ihm etwas versage, der Ärger mit der Steuer, um den Parkplatz…, all das ist mein Leben, es gibt kein anderes für mich. Das ist das Menschenleben mit seinen Begrenztheiten, der Selbstüberschätzung, Glücksmomenten und immer wieder Trauer um Verlust, Kampf wegen unerwarteter Reaktionen, unverhofften Hürden, Fluchten in Buchwelten und Reisen.

Und um mich sind Menschen, denen geht es nicht anders, manche haben etwas weniger hiervon, dafür etwas mehr davon… Gelegtlich eine Ahnung von Leichtigkeit, in Momenten mit anderen Menschen, bei gelungenen Gedanken, Lachen über sich selbst und den eigenen Eifer, beim Beobachten…

Ja, mein Freund, beim Schreiben all dieser Gedanken spüre ich, ich liebe das Leben, will gern offen bleiben für dieses Mittendrin, handeln und reagieren. So habe ich Dir heute diese Gedanken aufgeschrieben, ich will, dass es Dir besser geht, aber ändern kannst nur Du etwas. Statt genaue Pläne zu auszudenken, lebe doch einfach mal ins Unreine.

Besuch kommt nächste Woche, so sausen wir durch die Zeit!

Gestern beim Gespräch mit den Berlinern bemerkte ich, mir war ein ganzes Jahr abhanden gekommen, aber ich habe es erlebt. Keine Spuren? Keine wichtigen scheinbar, sonst wüsste ich es doch noch, oder?                               

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12 Kommentare:

  1. DANKE 🙏 LB ROSWITHA 👩‍❤️‍👩
    ... für den herrlichen Beitrag = Literatur-Tipp 📖

    So geht's mir auch... oft 🤔🤫😉

    Winterlich, herzlichen Umärmel - Gruß von Annette ❄️☀️🙋‍♀️

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    1. ich umarme dich zurück, liebe annette. wir sind halt menschen, die unterwegs sind, mal hüpfend, mal eher schleichend...
      hab ein angenehmes wochenende, herzlich, roswitha

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  2. "Gelegtlich eine Ahnung von Leichtigkeit..." Das genügt schon, um das Leben in all seiner Ambivalenz zu mögen. :--)
    Ein zustimmendes Nicken und liebe Grüsse,
    Brigitte

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    1. danke, liebe brigitte, herzliche grüsse in die winterberge von roswitha

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  3. "Dem inneren,
    liebe Roswitha,
    Schweinehund ein Läckerli hinstrecken und sich nicht in einen Kampf einlassen mit ihm",
    meint Hausfrau Hanna
    Danke für den Beitrag und einen herzlichen Gruss ins Heute!

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    1. liebe hausfrau hanna, eigentlich hast du recht, gelegentlich darf fünf auch mal gerade sein. augenzwickernd grüßt roswitha

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  4. Mich erinnert das an den Schock, den ich um die 30 herum hatte, als ich plötzlich bemerkte, dass ich das Leben nicht übte, sondern dass ich bereits mittendrin war. Es hat sehr, sehr lang gedauert, bis ich mich von dem Schock erholt hatte und dann dauerte es noch einmal seine Zeit, bis ich die richtigen Schlussfolgerungen ziehen und endlich auch entsprechend handeln konnte. Habs aber gerade noch geschafft! :))) Liebe Grüße, Andrea

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    1. das ist schön, dass du es geschafft hast. ich kenne menschen, die scheinen noch einen probelauf zu machen, nach jahrzehnten anstrengend. lieben gruß, roswitha

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  5. Hallo Roswitha, war ich so vertrottelt, dass ich den Kommentar, den ich hier geschrieben hatte, versehentlich nicht abgeschickt habe. Ich hatte nämlich gleich in der Onleihe-Bibliothek nach dem Buch gesucht. Das genau war zwar nicht da, aber ein anderes von dieser Schriftstellerin, dass ich mir runter geladen habe.
    Ich werde alt - einen Kommentar lasse ich versehentlich erscheinen und einen anderen "verschlucke" ich versehentlich.
    Gute Nacht wünscht Clara

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    1. liebe clara, schade um deinen kommentar, aber es geht ja immer wieder eine neue chance. ich hoffe, deine arzttermine zeigen ergebnisse. die autorin ist übrigens fast aus meiner geburtsgegend, aus trier. lieben gruß, roswitha

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  6. Liebe Roswitha, ein schöner Beitrag.
    Klare Gedanken um das Gewirr des Lebens. Netze, Fallstricke und obendrein der kleine Mann im Ohr (ich mag den "inneren Schweinehund" nicht, der kleine Mann, der ständig zu unserer Verführung bereitsteht.
    Und wir Menschenkinder müssen in all dem zurecht und unseren Weg finden. Wohl dem Menschen, der da ohne allzu grosse Blessuren durchkommt. Und dennoch können wir uns als Individualitäten nur an Hindernissen entwickeln und von den Blessuren lernen.
    Und dann noch der Wunsch, die Welt zum besseren zu verändern. Ich habe gelernt, dass ich die Wlt am effektivsten verändere, indem ich mich zum besseren verändere.

    Herzliche Grüsse
    Robert

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  7. lieber robert, ich traf in südfrankreich einmal einen indischen studenten mit dem wir viel philosophierten. er erklärte uns, menschen seien diamanten. und da diamanten nur mit ihresgleichen geschliffen werden könnten, sei dies wichtig, um die menschen zum strahlen zu bringen, einander auch reibung zuzulassen. diese blessuren und ecken bringen unsere individualität zu vorschein. nur so gibt es auch entwicklung, im aushandeln, weitergehen, hoffnung pflegen und denkend handeln. liebe grüsse, roswitha

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gedankensprünge

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