Donnerstag, 30. Oktober 2025

Oma Anna

 

solche sonnenuntergänge erinnern mich oft an meine oma anna. sie war jahrgang 1890 und wegen der kriege wurde sie erst spät oma, ich war das erste enkelkind. wenn es im herbst abendrot gab erzählte sie mir, die engel seien schon bei den weihnachtsvorbereitungen, sie backten plätzchen. 

am samstag ist allerheiligen, da ging sie mit meinem bruder und mir abends auf den friedhof lichter schauen. es hatte etwas geheimnisvolles dorthin zu gehen, obwohl es mitten im ort neben unserer rodelwiese war. in den lämpchen auf den gräbern brannten kleine kerzen, straßenlicht gab es nur wenig. sie erzählte uns, die lichter würden brennen, damit die seelen der toten in den himmel fänden.
 
meine oma hatte drei kinder, der jüngste sohn starb im krieg in russland, knapp zwanzig jahre alt. nach ihm heißt mein bruder hans(er war johann). den brief mit der todesnachricht bewahrte sie sorgfältig auf, holte ihn voller trauer manchmal irgendwo hervor. im alter hatte sie es schwer, amputation eines beines und schlaganfall waren schlimm für eine frau, die fast nie im leben einen arzt aufgesucht hatte. leider starb sie allein im krankenhaus, da war sie jünger als ich heute. einen heimlichen luxus gab es in ihrem altersleben: gelegentlich ein kleines gläschen asbach. den brachte ich ihr in einem kleinen fläschen mit und sie verbarg ihn im nachtschrank.
 
ich liebte diese etwas wortkrage frau, die mal die älteste von vierzehn kinder gewesen war und nie urlaub und luxus kannte. ihre haare lies sie wachsen, flochte sie zum zopf und machte einen knoten. zu muttertag schenkte unsere familie ihr eine scharz- weiße baumwoll- kittelschütze, zum geburtstag gab es die pralinen. alles war vorhersehbar. 
sie kochte das beste holundergelee der welt und machte wunderbare mehlklöße mit eingemachten zwetschgen.  
 

 

13 Kommentare:

  1. Diese Vorstellung, im Himmel seien die Engel schon beim Plätzchenbacken, ist wunderschön. Ebenso wie der Brauch, abends gemeinsam die Lichter am Friedhof zu betrachten.

    Immer, wenn die Tage kürzer werden, sind meine Erinnerungen an meine geliebten Großeltern besonders intensiv. Meine Oma war auch eine Anna, besonders gerne erinnere ich mich an unsere Lieblingsspeisen, die sie oft für uns gekocht hat. Ich habe ihr fasziniert beim Kochen zugesehen und mir einiges gemerkt. Wenn ich heute diese Gerichte koche, bin ich in Gedanken immer bei meiner Oma.
    Ihre langen Haare wichen erst, als es ihr zu mühsam wurde, einen Knoten zu machen.
    Es freut mich, Deine Erinnerungen zu lesen, vielen Dank fürs Teilen.
    Herzliche Grüße, C Stern

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. haben wir also beide eine oma anna mit langem zopf, der ein knoten wurde. ich schaute oma fast nie zu beim kochen, ich las und kam zum essen, weil ich bei ihr in ruhe lesen konnte. liebe c stern, einen herzlichen gruß von roswitha(wünsche dir abendrot)

      Löschen
  2. Das sind so wertvolle Erinnerungen! Und sie sind es auch wert, erzählt zu werden.
    Meine eine Oma hieß übrigens auch Anna! :-)

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. und noch eine oma anna, unsere enkelin heißt auch anna. ich hoffe sehr, sie hat ein freieres leben als unsere omas. da müssen wir aufpassen, liebe calendula, lieben gruß, roswitha

      Löschen
    2. Oh, ja, da müssen wir jeden Tag aufpassen und dafür kämpfen!

      Löschen
  3. So an die eigenen Grossmütter zu denken, ist wunderbar. (Ich hatte auch zwei der besonders liebenswerten Art, kannte dafür aber keinen der Grossväter, weil diese damals schon tot waren.)
    Deine Erlebnisse mit der Grossmutter finde ich ganz toll. Behalte sie so in schönster Erinnerung!
    Einen lieben Gruss zum Monatsausklang, Brigitte

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. liebe brigitte, irgendwann werde ich mal mehr über diese ahnin schreiben. dir einen guten start in den neuen monat, egal wie er wird. lieben gruß, roswitha

      Löschen
  4. Dankeschön, liebe Roswitha, habe es überaus gerne gelesen und danach auch an meine Großmütter gedacht! Gruß von Sonja

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. später werden unsere enkel an uns denken, schaffen wir ihnen schöne erinnerungen. herzlich grüßt roswitha

      Löschen
  5. mehlklöße mit eingemachten zwetschgen - ostpreussen?

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. nein, hocheifel, nattenheim, später daun.

      Löschen
    2. korrektur: sie wurde in nettersheim, ortsteil von marmagen, geboren. ich war da noch nie, wir hatten kein auto und die eifel ist mit nahverkehr schlecht versorgt. sie kam also auch nie mehr an ihren geburtsort, und das ist für mich schwer vorstellbar: was war mit den geschwistern? hatte sie freundinnen? später jedenfalls nie. die jahre und kriege machten fürchterliches mit den menschen.

      Löschen
  6. ich freue mich darüber in dir erinnerungen an deine oma geweckt zu haben. durch ihre flucht war es für sie zusätzlich schwer, in einer fremden umgebung und sprachemelodie. und ja, auch allerseelen gingen wir zum friedhof wegen der lichter. unsere ahninnen hatten ein schweres leben, zum glück änderten sich die umstände für frauen. herzliche grüsse, roswitha

    AntwortenLöschen

zwei kleine italiener und tonio schiavo

                                                       Foto: Uli Boll, Manderscheid       Das Abkommen, das der deutsche Bundesminister für...