Donnerstag, 14. März 2019

Schulferien ökologisch

Ferien auf dem Land 1957


Die schönsten Ferien meiner Schulzeit verbrachte ich, ein Mädchen aus Daun, 1957 im nur etwa neun Kilometer entfernten Kirchweiler.
Ännie, die Kusine meiner Mutter, hatte gesagt, ich könne gern zu ihrer Familie in Ferien kommen. Es machte mir nichts, dass ich außer ihr, die etwa so alt war wie meine Mutter, niemanden aus der Familie kannte. Ich wollte auf einen Bauernhof mit Tieren!

Meine Eltern hatten kein Auto, so wurde ich zu Beginn der Ferien mit dem Firmenfahrzeug von Vaters Arbeitgeber mitgenommen. Mein Gepäck war in einem kleinen Koffer, ich brauchte nicht viel.
Bei meinen Gasteltern lebten zwei ledige Töchter um die dreißig und ein Sohn, der in der Ausbildung war. Nähere Details interessierten mich mit acht Jahren nicht, alle verwöhnten mich, waren freundlich.
Im Nachbarhaus, einem Bauernhof mit mehr Kühen als bei unserer Verwandtschaft, gab es auch zwei Töchter, eine in meinem Alter, eine war etwas jünger. Wir hatten schnell Kontakt miteinander. Der Kuhstall ihrer Eltern war voller Schwalben, an der Decke entlang ein Nest neben dem anderen. Begeistert schaute ich zu, wie die Schwalben rein- und rausflogen, ohne je ihr Ziel zu verfehlen.

Immer wieder streunten wir drei durch das Dorf, es schien mir eine große und fremde Welt, und sie waren wunderbare Fremdenführerinnen. Die Straße hinauf zur Kirche kam mir wie ein Berg vor, der Weg zum alten Sendemast des SWR auf dem Schartenberg schien weit wie eine Expedition.
Außerdem gab es auf dem Ernstberg eine Höhle. Wir durften nicht allein hinein gehen, und hätten es auch nicht gewagt. Aber es war schön gruselig davon zu reden!

Kindheit war damals die Zeit, in der wir immer wieder die gleichen Dinge taten und damit ein Gespür für die Ewigkeit bekamen. Der Sommer schien endlos, und trotz aller neuen Erfahrungen war ich geborgen in den Regelmäßigkeiten meiner Umgebung. Es brauchte keine Nachfrage, um zwölf Uhr wochentags gab es Mittagessen, um neunzehn Uhr, nach der Stallarbeit, gab es Abendessen. Sonntags war erst um halb eins Essenszeit, vorher gingen alle zur Messe in die Kirche.
Klar war auch, dass ich pünktlich sein musste, es gab ja die Kirchturmuhr, oder in Rufnähe bleiben. Zu spät kommen war undenkbar.
Als Ferienkind durfte ich wochentags aufstehen, wann ich wollte, und bekam dann ein Glas Milch und ein Marmeladenbrot. Ich hatte weder Zeit noch Lust bis zum Mittag zu schlafen. Die beiden Mädels von nebenan warteten ja schon!

Es war wunderbar, dass es einen großen Bauerngarten gab, in dem ich von den Beeren naschen konnte. Es stand da auch ein großer Obstbaum, in dessen Schatten ich mit Nachbars Töchtern spielen konnte. Alte Decken und Bettlaken gaben ein wunderbares Zelt, wenn man sie zwischen Wäscheleine und Baum verknotete.
Ich erinnere mich, wie wir Möhren aus der Erde zogen, wuschen und aßen. Den Geruch der Erde, des Krautes und den wunderbaren Geschmack frischer, selbst geernteter Möhren – unübertrefflich!
Wir hatten jede eine Puppe, einige bunte Tücher, die als Decken der Puppen dienten, altes Puppengeschirr, einige Blechtassen. An manchen Tagen gab es Haferflocken mit Kakao und Zucker als Festspeise für die Puppen. Da sie nicht aufaßen, durften wir ran!
Unsere „Wohnung“ war dekoriert mit Fundstücken wie Federn, Scherben, Wiesenblumen oder ähnlichem, wir spielten Rollenspiele und tuschelten miteinander über unsere Welt.

Das Klickerspiel mit bunten Murmeln aus Ton und Glas entdeckte ich in diesem Sommer. Einfach im Hof mit der Ferse eine Kuhle in die Erde drehen und eine Handvoll Murmeln werfen. Dann mit geschicktem Schnipsen des Daumens die Murmeln in die Kuhle schubsen.
Oder wir spielten Hüpfhäuschen: fünf Quadrate längs und beim vierten Quadrat zusätzlich rechts und links je eines mit einem Stöckchen oder Stein auf die Erde gezeichnet, eine kreuzförmige Zeichnung das Ganze. Die Spielerin bekam einen Stein, den sie nacheinander in die jeweiligen Quadrate werfen musste, um diese dann zu überspringen.
Wer auf die Linie hüpfte, musste aussetzen!
Verstecken spielten wir mit anderen Jungen und Mädchen, damals gab es viele Kinder im Dorf! Am Bach stauten wir Wasser, manchmal sammelten wir Kaulquappen. Leider bestaunten wir auch Salamander, die überlebten das oft nicht.

Wir hätten gerne ein Fahrrad oder einen Roller gehabt, aber das war unerreichbar. Rollschuhe waren mir zum nächsten Geburtstag versprochen, Brettspiele rar. Es gab weder Fernsehen noch Radio für uns, erzählen ließen wir uns Geschichten von früher, wenn jemand sich Zeit nahm. Irgendwer hatte ein uraltes Märchenbuch mit Bildern, und dann gab es sonntags die Pfarrbücherei.

In jenem Sommer vor bald sechzig Jahren lernte ich viel vom Leben im Dorf, vom alltäglichen Miteinander. Montags flatterte die Wäsche auf der Leine, freitags gab es Mehlspeisen, samstags duftete frisch gebackener Sonntagskuchen durchs Haus.
Saisonale Ernährung war selbstverständlich, die pünktliche Versorgung der Kühe und Hühner war Pflicht, die Kühe hießen noch Lisa oder Berta oder Resi. Es wurde Marmelade gekocht, eingeweckt in Gläser, und Gemüse in Krautständer eingelegt

Beladen mit einigen dieser Schätze des Sommers kehrte ich heim. Beim Abschied gab es Tränen. Danach war ich übrigens trotz aller Versprechen nie mehr in den Ferien in Kirchweiler.



1 Kommentar:

  1. An solche Ferien erinnert man sich viel besser als an Mallorca. Ich war in den Ferien oft bei meinen Großeltern im Taunus. Hühner im Stall, Gemüse aus dem Garten und zum Spielen hat man einfach das Haus verlassen, ohne Verabredung, ohne Plan. Zum Abendbrot rief die Oma aus dem Fenster.

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