Dienstag, 13. Juni 2023

Berlin-Taxi 1965(4), ein Kellner hat Probleme

 


Ein Kellner hat Probleme

Eine ruhige Nacht, ich stand schon ein paar Minuten auf einem Taxi-Halteplatz und hoffte auf Fahrgäste.

Ein Haus weiter war ein größeres Restaurant. Ein Kellner mit gebeugtem Kopf, hängenden Schultern und traurigem Gesicht kam auf meine Taxe zu und setzte sich auf den Vordersitz. Er seufzte und erzählte mir, wie schlecht doch die Welt ist. Gleich nach seinem Einstieg hatte ich das Taxameter angestellt. Er schwieg. Nach einer Weile fragte ich ihn: „Wohin kann ich Sie fahren“? Er schwieg weiter. 

Es lag eine Spannung in der Luft und ohne Gründe sagte er: „Ich möchte nicht mehr leben." Dann schwiegen wir beide weiter. Die Spannung wurde unerträglich. Plötzlich sagte er: „Kannst Du mir helfen?" Ich sah ihn fragend an und er wiederholte: „Ich möchte sterben“: "Wie stellen Sie sich das vor, und was kann ich für Sie tun?" „Ach, überfahre mich. Ich lege mich vor das Auto und Du fährst einfach los, das ist einen einfache, saubere Sache."

 Mir stockte der Atem und ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Ich überlegte. Da kam mir ein Gedanke, warum nicht? Ich hätte es nie getan, doch wollte ich den Anschein erwecken und er sollte Angst spüren: „Ist gut, leg Dich da vorne hin." Widerstrebend stieg er aus und legte sich einige Meter vor das Auto auf die Erde. Der alte Mercedes 180D macht beim Starten fürchterliche Geräusche, es nagelte, krachte und knatterte. Langsam rollte ich vorwärts. Den Motor ließ ich laufen, aber der Mann blieb liegen. Als ich nur noch etwa zwei Meter von ihm entfernt war, drehte ich den Motor noch einmal kräftig hoch. Da endlich sprang er auf, setzte sich wieder auf den Vordersitz und sprach: 

„Du bist ein wahrer Freund, Du würdest mir helfen, aber ich schaffe es nicht." Er legte mir zehn Mark auf das Armaturenbrett und sagte: „Fahr mich nach Hause."

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Was würde heute passieren in einer ähnlichen Situation? Lassen wir uns anrühren von Menschen, denen wir im Alltag begegnen? Mir fällt bei meinen Besuchen in Großstädten immer auf, dass ich mit manchem Verhalten nicht mehr umgehen kann, ich will sofort etwas tun(typisch Dorfbewohnerin?). Es ist zuviel und zu verwirrend für mich als ältere Frau, ich muss mich einmischen, und das ist heutzutage vielleicht gefährlich. Angst habe ich nicht, ich will tatkräftig ändern. 


besuchen sie die Kunstparks:

www.skulpturenpark-seckach.de  und  www.skulpturenpark-odenwald.de  (bad könig)


12 Kommentare:

  1. Was für eine heftige Taxifahrergeschichte! Wieder gern gelesen, von Sonja

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    1. eine spontane und schlaue reaktion, hilfreich auch. lieben gruß, roswitha

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  2. Da stockt einem der Atem. Herrje!
    Ich möchte nicht Taxifahrerin sein, das weiss ich seit eben...
    Einen nachdenklichen Gruss,
    Brigitte

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    1. im taxi trifft man die welt, glaube ich, alle probleme und lebenswelten treffen sich. wollte ich noch nie, fuhr nicht gern auto, da konnte ich zu wenig gucken. lieben gruß, roswitha

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  3. Wie meine Vorgängerinnen sage auch ich: Mehr als heftig - und das wird hoffentlich nicht so schnell einem Taxifahrer als Wunsch angetragen. - Bestätigt mich, dass ich für diesen Beruf ungeeignet wäre, schon wegen meiner schlechten Orientierungsfähigkeit.
    Und tschüss sagt Clara

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    1. ein seltener wunsch, sicher. aber die reaktion von paul war doch prima, heute ist das was ähnliches wie konfrontationstherapie.
      herzlichen gruß, roswitha

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  4. wahnsinn! mir scheint, dein freund ist ein guter menschenkenner und -freund... krass!
    danke fürs teilen!
    lieber gruß
    Sylvia

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    1. ja, das ist er, liebe sylvia, auch heute noch. ein künstler und menschenfreund, herzlichen gruß, roswitha (ich kann bei dir nicht kommentieren)

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    2. doch, kannste:-))). ich war nur säumig beim freischalten, hab die ganzen feinen kommentare erst spät gesehen...

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  5. Eine Geschichte,
    liebe Sonja,
    die unter die Haut geht. Und ein Taxifahrer, der nicht nur Freund, sondern auch Psychologe ist.
    Danke fürs Teilen!
    Und einen herzlichen Gruss in den heutigen Tag
    Hausfrau Hanna

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    1. ich schrieb es oben, er ist immer noch ein menschenfreund und -kenner. seine reaktion war prima. herzlichen gruß, roswitha

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    2. Das muss natürlich ROSWITHA heissen!

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