Vom "gelingenden Leben" handeln viele Märchen. Wem gelingt das Leben in den Märchen?
"Es
gelingt denen, die die Fähigkeit haben, nicht nur sich selber,
sondern die Menschen und die Welt um sich herum wahrzunehmen. Und es
gelingt denen, die dem folgen, woran sie ihr Herz gehängt haben, die
irgendeine Leidenschaft antreibt. Und es gelingt denen, die an ihre
eigenen Möglichkeiten glauben, die grundsätzlich Vertrauen in das
Leben haben." (Verena Kast, Vom gelingenden Leben, dtv 2000)
Ich erkenne beim Lesen der Geschichten oft einen Wechsel zwischen Tatkraft und geduldigem Abwarten. Die Heldinnen und Helden der Märchen sind keine Menschen, die sich durch ihr Tun optimieren, sich trainieren für kommende Herausforderungen. Sie gehen ihren Weg, weil sie es als richtig ansehen, und sie haben dabei ein Grundvertrauen und werfen nicht gleich alles hin, wenn etwas nicht klappt. Schritt für Schritt kommen sie zu ihrem Ziel, trotz alledem, was unterwegs passiert. Leider sind es in den meisten bekannten Märchen Jungen oder Männer, die eine Heldenreise beginnen.
Ein Prinzessinnendasein fand ich als Mädchen nicht attraktiv, ich wollte lieber in die Welt ziehen und Abenteuer erleben. Ich wollte auch keinen Prinzen, um mir dann alles vorschreiben zu lassen und artig zu sein. Ich hatte tausend Ideen die nicht an umständlicher und zu schonender Kleidung scheitern sollten. Was war ich froh, als etwa in der sechsten Klasse Hosen für Mädchen auch in der Schule tragbar wurden. Das Leben lud immer ein zur Aktivität, leider gab es damals zu viele Stoppschilder für Mädchen.
Wie war das bei euch, den Leserinnen? Oder bei euch Lesern, konntet Ihr euch mit einem Märchenhelden identifizieren?
Gelesen habe ich unter anderem Ada von Christian Berkel. Bei diesem Buch erlebte ich nun nicht zum ersten Mal, wie ein Folgeband eines gelungenen Debüts schiefläuft. Die Idee, das Buch in Ich-Form zu erzählen scheint mir nicht schlüssig. Außerdem hätte diesem Roman ein strengeres Lektorat genutzt.
Dann trieb mich die Sehnsucht nach Berlin und ich las nochmal in Walter Benjamin, Stadt des Flaneurs. Dieses Buch erstaunt mich wieder. Immer neue Entdeckungen: " Es war ein prophetischer Winkel. Denn wie es Pflanzen gibt, von denen man erzählt, dass sie Kraft besitzen, in die Zukunft sehen zu lassen, so gibt es Orte, die die gleiche Gabe haben. Verlassene sind es meist, auch Wipfel, die gegen Mauern stehen, Sackgassen oder Vorgärten, wo kein Mensch sich jemals aufhält."
Wo gibt es in meinem Ort solche Winkel? Ich werde weiter suchen.