Kalendereintrag: 25.
August 2048 - Geburtstagsfeier
Nun sitze ich hier und
überlege, was ich auf der großen Geburtstagsfeier der
hundertjährigen Lisa sagen könnte.
Wir leben in einer Zeit
der Umwälzungen und können dankbar sein, dass nicht größere
Katastrophen nötig waren, um zu diesen Änderungen bereit zu sein.
Ich erinnere mich noch gut wie eine Hiobsbotschaft die nächste ablöste: Klimaveränderungen, zu viele alte Menschen, die versorgt
werden müssen, und kaum Kinder. Menschen arbeiteten für so wenig
Lohn, dass es nicht zum würdevollen Leben reichte, während andere
Millionen erhielten.
Vieles wurde erreicht in
den vergangenen dreißig Jahren! Nach über einhundertfünfzig Jahren
wurde die Rentenversicherung reformiert. Natürlich gab es
Widerstand, besonders von den Gruppen, die mehr zahlen mussten, oder
deren Gewinne schrumpften.
Wir leben in einer
Demokratie deren Werte sich verändert haben. Toleranz gegenüber
Andersdenkenden, offenes Schauen und Lassen, solange die Rechte der
Mitmenschen nicht verletzt werden, sind die Regel.
Die Strafgesetzgebung
setzt andere Maßstäbe als in früheren Zeiten:
Manager, die bei eigener
Bereicherung tausende Arbeitsplätze vernichten, haften dafür.
Ebenso sind Menschen bei öffentlichen Aufgaben verantwortlich für
ihr Handeln, sie können sich nicht in der Anonymität einer Behörde
verstecken, es gibt eine Amtshaftung. Wasser, Luft und Boden gehören
keinem Konzern oder Einzelnen, sondern sind schützenswertes
Allgemeingut. Nicht wirtschaftliches Wachstum ist das oberste Ziel,
sondern ein gutes, auskömmliches Leben für alle.
Ganz besonders wichtig war
die Erkenntnis, dass Aufgaben im Umgang mit Menschen im Altenheim
oder Kindergarten nicht weniger wert sind als Arbeit z. B. in einer
Autofabrik. Pflegearbeit wird besser bezahlt und die Pflegenden
erfahren die Anerkennung ihrer Mitbürger und Mitbürgerinnen.
Menschen, die sich um das Wohlergehen von Kindern und Jugendlichen
und deren Förderung bemühen, gelten als fortschrittlich.
Es gibt ein Bürgergeld
für alle, und jeder Erwachsene kann nach seinen Fähigkeiten durch
Arbeit sein Einkommen erhöhen. Mit ihren Ruhestandbezügen haben
auch die alten Menschen nun soviel zur Verfügung, dass es für den
Friseur oder andere Extras reicht, auch wenn sie im Altenheim leben.
Unsere Jubilarin lebt in
einem Mehrgenerationen- Hof. Dort gibt es neben der Alten- Wohngruppe eine Kindertagesstätte und einige kleine Wohnungen für
Alleinstehende. Das ganze Projekt war anfangs sehr umstritten, jetzt
ist es Mittelpunkt unserer Gemeinde.
In der ehemaligen Scheune
des Anwesens finden Kurse und Veranstaltungen der Volkshochschule und
der Vereine statt. Mitten im Dorf ist alles, sogar einen
genossenschaftlich organisierten Lebensmittelladen mit kleinem Café
gibt es. Da praktisch in jedem Haushalt Menschen Anteile an diesem
Geschäft besitzen, ist er sehr erfolgreich.
Dank des
Zuwanderungsgesetzes bekam unser Land wieder junge Arbeitskräfte. In
der Pflege und Berufen im Umgang mit Menschen stieg die Zahl der
Ausbildungen und Berufstätigen, auch Handwerker fanden Mitarbeiter
und Mitarbeiterinnen ebenso wie Nachwuchskräfte.
Ich werde der Jubilarin
sagen wie gern wir ihren Geburtstag feiern. Sie war eine der ersten,
die sich damals für dieses Wohnheim und den Hof einsetzten. Mutig
vertrat sie ihre Meinung und suchte Gleichgesinnte. Als in der
Zeitung ein Kuschelroboter für Demenzkranke vorgestellt wurde, war
für sie eine Grenze überschritten. Menschenwürde ging ihr immer
vor Wirtschaftlichkeit, im Altenheim wie im Kindergarten oder im
Krankenhaus.
Gemeinsam mit allen werden
wir ein Ständchen singen, und wir werden zusammen lachen, reden und
essen.
©
Roswitha
Georg Bernhard Shaw: Ihr
seht die Welt wie sie ist und fragt: Warum?
Ich träume Dinge, die es nicht gibt und frage: Warum nicht?
Die sogenannte ›Dummheit der Massen‹, die seit jeher als der Sündenbock bei allerlei Prinzipienverstößen aufmarschiert, ist im Grunde genommen nichts anderes als die Beschränktheit derjenigen, die sich auf diese Dummheit berufen.
-------------
So ist das Leben und so muss man es nehmen, tapfer, unverzagt und lächelnd - trotz alledem.
Rosa Luxemburg
auch sie eine der frauen, die kämpfte, wieder und wieder aufstand, und ihr leben verlor. für uns geht es nur darum, trotz aller gelegentlicher unzufriedenheit unser recht zur wahl auszuüben. wir sind frei uns zu entscheiden!